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The King is Dead. Long Live the King! Abschied vom Toyota Landcruiser V8.

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Von ALBRECHT WILKE

Ein Jammer! Wieder einer weniger, der es echt drauf hatte. 2015 wird der Toyota Landcruiser V8 in Europa ausgemustert, weil sein Motor nicht auf Euro6 umgestellt werden kann – jedenfalls nicht mit vertretbarem Aufwand. Deswegen widmen wir ihm eine Abschiedstour – natürlich in seinem angestammten Revier: dem Gelände. Also auf in den Offroadpark!
Der alte Herr ist keine reinrassige Geländemaschine – dafür hat der Landcruiser seine Offroadfähigkeit schon in manch anderer Baureihe unter Beweis gestellt, unter anderem in der J7, die heute noch für etliche Märkte außerhalb Europas gefertigt wird.

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Bergab wird der V8 ohne Bremseingriff etwas zu schnell. Die Crawl Control arbeitet sehr ruckartig.

Anders als beim erst kürzlich verabschiedeten Landrover Defender, der stets ein purer Geländewagen blieb und von dem im Laufe seiner Geschichte immer mehr SUV-Modelle wie der Discovery oder der Range Rover abgespalten wurden, brachte Toyota der kleinen und großen Version des Landcruiser mit der Zeit zunehmend Straßenmanieren bei und ließ lediglich die Baureihe J7 als Heavy-Duty-Version nahezu unverändert.

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Bergauf liegen Leistung und Drehmoment schier endlos an. Das Erklimmen eines Hangs scheitert zuerst an den riesigen Straßenpneus.

Trotzdem stellt der Toyota Landcruiser V8 nach wie vor einen echten Geländewagen dar: Mit Leiterrahmen und hinterer Starrachse, permanentem Allradantrieb über ein Verteilergetriebe mit Torsen-Differenzial samt Sperre sowie Untersetzung verfügt er über alle notwendigen Eigenschaften. Leider trüben die vordere Einzelradaufhängung, von Geländewagenpuristen auch abfällig Mädchenachse genannt, und das Fehlen einer mechanischen Sperre vorn und hinten dieses Bild etwas und werden auch nicht durch eine ganze Armada an elektronischen Assistenzsystemen wettgemacht.

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Beim Überfahren von Kuppen schützt der Leiterrahmen vor größeren Schäden. Die Trittbretter sind oberhalb des Rahmenunterzugs angebracht. Daher ändert sich der Rampenwinkel nicht, wenn sie abgebaut werden.

Doch genug der Vorrede: Wie schlägt sich der alte Herr nun im Gelände? Immer noch recht wacker, wie der Test im Offroadpark zeigt. Wie ein altgedienter Leistungssportler weiß er gegenüber seinen jüngeren Konkurrenten geschickt seine Schwächen auszugleichen. So hilft ihm beispielsweise seine aktive Niveauregulierung bei der Steigerung der Bodenfreiheit. Das Hinterachsdifferenzial bildet den tiefsten Punkt des Unterbodens, unter dem ansonsten kaum ein Bauteil herausragt. Dennoch ist beim Überfahren von Kuppen Vorsicht geboten: Für Bauchrutscheinlagen sollten die Alu-Trittbretter und der Plaste-Schutz der Vorderachse durch festerer Konstruktionen ausgetauscht sowie im mittleren Bereich ein durchgängiger Unterbodenschutz nachgerüstet werden. Auch Front und Heck kommen in verworfenem Terrain durch die langen Überhänge leicht in Berührung mit dem Untergrund und sind für ernsthafte Offroadambitionen durch entsprechende Nachrüstmaßnahmen besser zu schützen. Ansonsten sorgen Spitzenwerte in vielen Offroad-Fähigkeiten dafür, dass sich mit diesem riesengroßen und -schweren Wagen wahre Kunststücke im Gelände vollführen lassen. So verschränkt er bis zu 255mm und behält damit lange Bodenkontakt mit allen vier Rädern – ein Spitzenwert für ein Fahrzeug mit Mädchenachse. Und durch die Steigfähigkeit von 45° und den Kippwinkel von 44° sind sämtliche Showeinlagen auch am Berg möglich. Schließlich hilft die Wattiefe von 700mm, falls einmal ein größerer Gebirgsbach den Fahrtweg kreuzt.

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Solche Kuppen sind für den V8 an sich kein Problem. Aber bitte nur mit zusätzlichem Unterbodenschutz überfahren!

Trotz einiger kleiner Wermutstropfen im Gelände muss man sich immer wieder vor Augen führen, dass der Toyota Landcruiser V8 mittlerweile nur noch zu SUVs in Konkurrenz tritt – mit Ausnahme der G-Klasse von Mercedes – und vor diesem Hintergrund eine enorm robuste Konstruktion sowie sehr gute Rampen- und Böschungswinkel aufweist. Auch wenn ihn vermutlich kaum ein Besitzer für harte Geländeeinsätze nutzt, ist er zumindest hervorragend dafür geeignet, was sich von vielen Luxus-SUVs nicht sagen lässt. Unabhängig davon ist seine Paradedisziplin – nomen est omen – das entspannte Cruisen über mehr oder weniger gut ausgebaute Pisten der Entwicklungsländer dieser Welt, weshalb er auch so gern von den Funktionären der UN und anderen internationalen Organisationen genutzt wird. Selbst mit den 20-Zoll-Walzen der Executive-Ausstattungsvariante spürt man dabei kaum eine Bodenwelle, zumal wenn man die Dämpfer in den Komfort-Modus umschaltet.

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Sein Paradedisziplin: das entspannte Cruisen in leichtem Gelände.

Insgesamt stellen wir mit Schrecken fest, dass wieder einmal ein ganz Großer der Szene endgültig von der Bühne abgeht und hinter sich das Licht ausmacht. Es bleibt kaum ein Geländewagen der Oberklasse mit ähnlich konservativer und damit solider Konstruktion – dafür aber ein ganzes Heer an austauschbaren SUVs mit selbsttragender Karosserie, rundum Einzelradaufhängung und Offroad-Imitaten. Wir werden den Toyota Landcruiser V8 vermissen und begießen seinen Abgang mit einer Flasche Sake: Auf den König der Offroader!

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Fahrspaß satt on- wie offroad.

Der Beitrag The King is Dead. Long Live the King! Abschied vom Toyota Landcruiser V8. erschien zuerst auf PS.


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